Review: Judge Dredd Miniatures Game
I Am The Law!
Was verbirgt sich hinter dem Skirmish-System von Mongoose Publishing?
Der Brückenkopf hat einen seiner besten Männer in Straßen von Mega-City One geschickt um das heraus zu finden.
Worum geht’s?
Judge Dredd ist eine Comic Serie vom britischen Verlag 2000AD, die ihren Anfang in den 70er Jahren hatte.
Die Geschichte um Judge Dredd spielt irgendwann in einer nahen Zukunft auf einer durch Atomkriege verwüsteten Erde. Die Menschheit lebt zum größten Teil in Mega-Citys. Die größte Mega-City und Haupthandlungsort der Geschichten ist „Mega-City One“. Sie hat etwa 400 Millionen Einwohner und erstreckt sich an der Ostküste der (ehemaligen) USA von Boston bis Charlotte (was laut Google Maps etwa 880 Meilen sind). Gegründet wurde die Stadt 2031. Neben Mega-City One gibt es diverse andere Mega-Citys, die sich über den Erdball verteilen. Der Rest der Welt ist eine öde, postnukleare Gegend und wird „Cursed Earth“ genannt. Die Welt wird in den Geschichten immer wieder verändert um zur Handlung zu passen.
Das Justice Department hält die Bürger in Mega-City One im eisernen Griff des Gesetzes. Wie eine Diktatur lenkt das Department den Alltag der Bürger. Das Rückrad des Justice Departments bilden die Street Judges. Es braucht 15 Jahre Ausbildung um ein vollwertiger Street Judge zu werden. Ein solcher Judge ist zugleich Polizist, Richter und Vollstrecker. Überführung, Festnahme, Urteil und Vollstreckung werden binnen Sekunden an Ort und Stelle vollzogen. Oft ist die Strafe das Todesurteil oder langjährige Gefängnisaufenthalte.
Bekanntester und meist gefürchteter Street Judge ist Judge Joseph „Joe“ Dredd.
In der Judge Dredd Welt kommt irgendwie alles zusammen. Neben dem Klassiker Judges gegen Verbrecher in Häuserschluchten kommen noch Probleme wie Alien Invasionen, korrumpierte Judges, Invasionen aus anderen Mega-Citys, Probleme mit Mutanten aus der Cursed Earth, Kultanhängern samt Dämonen, Dark Judges und so weiter dazu. Auch die Schauplätze ändern sich. Mega-City One hat auf der einen Seite Slums aus Blechhütten und auf der anderen Seite Luxuswohnblocks mit riesigen Parkanlagen und natürlich allem dazwischen. Unter dem Pflaster der Stadt erstrecken sich Labyrinthe von Gebäuden aus unserer Zeit. Wenn die Landschaft etwas karger werden soll bleibt noch die Cursed Earth oder die Mondoberfläche als Handlungsschauplatz. Die Dark Judges stammen nebenbei bemerkt aus einer Parallelwelt und die Alien Invasoren haben auch Heimatplaneten… Ihr seht, der Serie dürften nie die Schauplätze ausgehen.
Aufmachung:
Das Hardcover Regelwerk liegt erst einmal schwer in der Hand. Das Buch umfasst 240 vollfarbige Seiten.
Im Inneren trifft ein Regelwerk auf Comicflair.
Neben den für ein Regelbuch typischen Regeltexten und Tabellen ist das Werk mit teils ganzseitigen Illustrationen aus den Judge Dredd Comics illustriert. Dazu gibt es natürlich In-Game Fotos. Durch die zahlreichen Illustrationen wird das Dredd Flair gut transportiert und man bekommt neben Lust aufs Spiel auch Lust auf die Comics und Filme.
Am Ende des Buchs befinden sich Hintergrundinformationen zu den Judges, der Welt, den wichtigsten Mega Citys und der vorherrschenden Kultur.
Regeln:
Die 240 Seiten sind natürlich nicht komplett mit Regeln gefüllt. Die Grundregeln umfassen lediglich neun Seiten. Gewürfelt wird bei Dredd mit W10. Jeder Spieler aktiviert erst alle seine Modelle bevor der Gegner an der Reihe ist. Jeder Charakter hat in seinem Zug zwei Aktionen, diese kann er auf Shoot-Actions, Move-Actions, Melee-Actions und Special-Actions aufteilen.
Nach dieser kleinen Regelsektion folgt im Regelbuch ein Einführungsszenario, mit dem man erste Spielerfahrung sammeln kann.
Hat man erst einmal die Grundregeln intus sollte man warm für die Advanced Rules sein. Diese führen unter anderem Fallschaden, Artilleriegeschütze, Knock Downs und Arrest ein.
Arrest ist hier eine lustige Besonderheit. Jeder Judge muss zuerst versuchen sein Opfer zu verhaften, bevor er das Feuer eröffnen darf. Dazu wird eine vergleichende Willensprobe durchgeführt. Gewinnt hier der Judge ist das gegnerische Modell ausgeschaltet.
Nach den Regeln für den Umgang mit Charakteren folgen noch ein paar Seiten Regeln zu Fahrzeugen. Fahrzeuge dürften in Dredd Spielen nicht allzu oft vorkommen. Die Bedienung ist umständlich – so dürfen sich größere Fahrzeuge in einer Bewegungsaktion maximal um 45° drehen – und die Punktekosten treiben den Fraktionswert schnell in die Höhe. Vom Spielerischen am leichtesten sind die Bikes einzusetzen. Die Lawmaster Motorräder der Judges sind wendig und verschaffen dem Fahrer keinen allzu großen Vorteil durch Panzerung.
Größere Fahrzeuge dürften in der Spielpraxis eher besondere Szenarioelemente als eine gängige Fraktionsauswahl darstellen. In längeren Kampagnen kann es allerdings vorkommen, dass eine Fraktion in die Lage kommt sich ein dickeres Vehikel zu leisten.
Sehr Interessant ist die „Mob“ Regel. Mit ihr lassen sich größere Mengen von Minions zu Mobs zusammenfassen. Diese werden – mit Ausnahmen – wie ein Modell behandelt. So lassen sich etwa Zombiehorden darstellen ohne den Spielfluss aufzuhalten, weil für jedes Modell eine einzelne Handlung durchgeführt werden muss.
Die Regeln wirken auf den ersten Blick handlich dünn. Umfangreicher wird es bei den…
Fraktionen:
Die Fraktionen beim Judge Dredd Miniatures Game lassen sich am besten als Gangs beschreiben – auch wenn das den Judges nicht gefallen dürfte.
Die Auswahl einer Gang erfolgt wie bei vielen anderen Tabletop-Spielen. Vor Spielbeginn einigen sich die Spieler auf einen Punktewert, der zu Beginn bei 500 liegen sollte, und kaufen danach ihre Gang zusammen.
Das Regelbuch bietet einem eine Auswahl verschiedener Fraktionen, wie etwa „The Justice Department“, „The City-Def“, „Street Gang“ oder „The Angel Gang“. Insgesamt sind 18 Gangs aufgeführt. Jede Gang hat ihre eigenen Sonderregeln. Zusätzlich zu den aufgeführten Gangmitgliedern können auch passende Söldner dazugekauft werden. Einzelne Charaktere haben die Möglichkeit zusätzliche Ausrüstung zu erhalten. Teilweise überschneiden sich die Auswahlmöglichkeiten der Gangs. So können etwa „The Justice Department“ und „Chief Judge Cal’s Personal Retinue“ Street Judges einsetzen, was selbstverständlich kein Grund für beide Fraktionen ist sich nicht bis aufs Blut zu bekämpfen.
Neben einer langen Liste namenloser Söldner gibt es, bekannte Charaktere aus den Comics, allen voran natürlich Judge Dredd himself.
Neben allen vorgefertigten Charakteren sind Regeln vorhanden um eigene Helden und Minions zu erstellen. Dies ist vor allem interessant für…
Kampagnen und Szenarios:
Den wahren Umfang des Regelwerks machen die Szenarios und Kampagnenregeln aus.
Die Szenarios sind kleine Scharmützel, die sich zum sofort losspielen eigenen. Dabei gibt es „freie“ Szenarien und „Famous Fire Fights“ welche aus den Comics entlehnt sind und besondere Kämpfe nachstellen – fast wie bei historischen Tabletops. 😉
Die angebotenen Szenarien sind recht unterschiedlich und bieten viel Abwechslung. Zu den „freien“ oder „normalen“ Szenarien zählen die üblichen Dinge wie zwei Fraktionen, die sich bekämpfen bis eine nicht mehr auf dem Spieltisch ist oder dem bekannten „Last Stand“. Die Famous Firefights sind strenger vorgefertigt. In „Just a cheap Punk“ etwa steht Judge Dredd alleine einer Gang aus 30 Punks und ihrem Anführer gegenüber. In „Dekker’s last Stand“ müssen fünf Judges eine Zombiehorde mindestens 12 Runden lang aufhalten.
Insgesamt sind im Regelbuch 17 Szenarios enthalten.
Die Szenarios sind einzeln gut für ein Spiel zwischendurch geeignet. Wer tiefer in das Spiel eintauchen will wird eine längerfristige Kampagne spielen wollen. Das Judge Dredd Miniatures Game bietet dafür zwei Kampagnen Modi an.
Der einfache Kampagnen-Modus erlaubt den teilnehmenden Gangs zwischen den Spielen an Erfahrung zu sammeln und Cerdits für neue Söldner und Ausrüstung auszugeben. Verwundungen und Inhaftierungen werden ausgewürfelt und ein Charakter kann schon mal einen Arm verlieren oder ein paar Spiele brauchen um aus dem Gefängnis zu fliehen. Gewinner der Kampagne ist der Spieler, der als erster einen Level 25 Helden oder 5000 Credits besitzt.
Der „Blood in the Streets“ Kampagnen Modus macht die Sache etwas ausgetüftelter und soll mehr langfristigen Spielspaß bieten. Neben den oben genannten Kampagnen-Mechaniken kommen hier REP(utation) und Territorien hinzu. REP dient dazu die Entwicklung der Gang zu dokumentieren. Stellt sich eine Gang mit niedrigerem REP Wert einer erfolgreicheren Gang bekommt sie am Ende des Spiels einen Bonus auf die gewonnenen Credits. Territorien fallen siegreichen Gangs in die Hände und bringen neben Extra REP Punkten zusätzliche Credits und Sonderregeln. Verwundete Gangmitglieder können als Geiseln genommen und gegen Territorien und Credits eingetauscht werden.
In dem Text zu den REP Punkten ist zwar davon die Rede, dass sie den Gangs dabei helfen leichter an Waffen und Söldner zu kommen, effektiv gibt es aber keine Regel dazu und es werden dadurch nur die schwächeren Gangs begünstigt.
Schreiten die Kampagnen voran erhalten die Charaktere weitere…
Talente:
Damit sich die Helden weiterentwickeln können gibt es diverse Talentbäume, die erklommen werden können.
Die Talente erlauben es den Charakteren besser zu kämpfen, effektiver Psi-Kräfte einzusetzen, andere Gangmitglieder zu heilen und so weiter.
Einige der Talente ergeben nur in Kampagnen einen Sinn, etwas, dass ein Arzt zwischen den Spielen Verletzungen negieren kann. Die Talentbäume sind recht umfangreich und zweigen zwischendurch in andere Spezialisierungen ab. Es gibt insgesamt 23 Talentbäume unterschiedlicher Komplexität.
Aufbau des Buchs:
Der Aufbau des Buchs folgt der Logik, das Wichtigste zu Beginn und dann nach hinten spezieller und komplexer zu werden. Um das Spiel von der Pieke an zu lernen mag das sinnvoll sein, zum schnellen Nachschlage ist das eher hinderlich.
Tabletop-Neulingen dürfte der Buchaufbau zuvorkommen, Spieler mit mehr Tabletop-Erfahrung, die direkt das System ausreizen wollen werden eine Weile blättern müssen. Die Kapitel so aufzuteilen, dass die Gangs einige Kapitel von den Söldnern entfernt liegen, ist recht unglücklich und erfordert einige Blätterarbeit, wenn man die Charaktere seiner Gang zusammenstellen will. Das die „Famous Firefights“ an das Ende des Regelblocks gestellt sind erscheint mir auch merkwürdig, da gerade diese vorgefertigten Szenarios dem Anfänger und Gelegenheitsspieler zuvorkommen. Das der „Fluff“-Teil an das Ende des Buchs gerückt ist, ist zwar ungewöhnlich aber eher positiv zu bewerten, da man sich auf der Suche nach den passenden Regeln nicht auch noch durch diesen blättern muss.
Fazit:
Das Regelbuch zum Judge Dredd Miniatures Game ist toll aufgemacht. Die Illustrationen tragen das Flair der Comics, die In-Game Fotos tragen das Flair der Zeit, wo Gelände noch kreativ gebastelt und nicht in fertigen Kits gekauft wurde. Ob einem das nun wiederum gefällt sei jedem selbst überlassen.
Das Spiel fällt eher unter die „Bier und Bretzel“ Kategorie. Die Regeln sind eher einfach gehalten. Abwechslung entsteht durch Sonderregeln einzelner Charaktere und der Talente. Die Szenarios sind ebenfalls abwechslungsreich und erlauben eine viele unterschiedliche Spiele, auch ohne längere Kampagnen zu starten.
Besonders positiv ist, dass sämtliche Werte für Charaktere und Ausrüstung im Regelwerk enthalten sind und man nicht auf weitere Produkte des Herstellers angewiesen ist. Wem also die offiziellen Miniaturen zum Spiel nicht zusagen kann ohne weiteres auf andere Figuren zurückgreifen.
Spieler, die von Spielen mit weniger Miniaturen feinere Regeln erwarten sollten im Science-Fiction Bereich eher nach etwas anderem suchen. Wer Gang-Rampage und Kampagnenspiel mit Rollenspielelementen sucht sollte das Judge Dredd Miniatures Game zumindest mal antesten. Fans der Serie dürften ziemlich gut auf ihre Kosten kommen.
Auf der Seite von Mongoose Publishing findet sich ein gratis PDF mit Testregeln. (runter scrollen, unter dem Produkt)
Vielen Dank für die Review. Das Spiel interessiert mich als Fan der Comics schon länger und trotz Auslastung ist es gut zu wissen, dass Mongoose ein ordentliches Buch abgeliefet hat. Wenn man jetzt noch Zeit, Geld und Mitspieler hätte. Obwohl so eine Partie doch ziemlich laut werden könnte, wenn die Spieler nur noch „Creep“, „I am the LAW!“ und „20 Jahre Iso-Haft!“ schreien.
Hört sich interessant an, vor allem daß man die Regeln für die Modelle gleich mitbekommt. Denn das stört mich an diesem Spiel. Diese hässlichen 20 Jahre alten Modelle. Aber man kann sie ja zum Glück ersetzen.
Tolles Review. Es bleibt keine Frage offen.
Hammerstarkes Review! Dafür danke!
Nur doof, das der einzige potentielle Mitspieler, den ich dafür kenne, ca 4,5 Stunden weit weg wohnt… 🙁
Meinst Du rein zufällig mich? *g*
Wen sonst?!?
Wir könnten noch Dennis weichklopfen, der dürfte es bestimmt Aufgrund des Hintergrundes mögen, auch wenn der Jungspund es nicht kennt…
…ach verdammt. Auch 4,5 Stunden. 🙁
aber, aber, lieber Zukar…Die 4,5 Stunden sind doch nur unter der Woche, am Wochenende sind wir uns doch viel näher…
Und es reizt mich schon, ne Angel Gang, eine Judge-„Gang“ und vor allem die 4 Dark Judges zu haben…hmmmm
Apes? Fatties? Judge Cal & Friends…ach verdammt…
Danke für das Review!
Ich liebäugel schon länger mit dem Spiel und wird mir mal die Regel-PDF runterladen. Als Streetjudges werden bei mir wohl erstmal alte Arbites-Modelle von GW herhalten, die ich noch habe 😉 und Gangs, Muties, Zombies etc. sollten figurentechnisch jetzt auch kein Problem sein 😀
Wenn es eher ein „Bier&Brezel“ Spiel ist sollte es vermutlich weniger Probleme geben, Mitspieler zu finden.
Eine wunderbar geschriebene Rezension – vielen, vielen Dank für die ganze Arbeit, die darin stecken muss. Auch wenn ich mit den Comics und dem Spiel an sich nicht viel anfangen kann, hat es trotzdem reichlich Spaß gemacht, den Artikel zu lesen.
Dem kann ich mich nur anschließen. Toller Artikel. Es ist ja immer interessant, andere Spiele kennen zu lernen.
Ach so, kurzer Nachtrag. Ein bisschen liest es sich wie Necromunda. Gerade das Kampagnensystem mit Gebieten und so.
Dem Lob möchte ich mich ohne viel eigene Worte einfach mal anschließen!
Wie viele Modelle sind denn für so eine Gang im Schnitt nötig?
Nicht so viele. Grob über den Daumen gepeilt 5-6, für den Anfang. Sowas hängt dann natürlich wieder von den Punktekosten ab. Als grobe Orientierung hilft, denke ich, ein Blick darauf, was als Gang-Boxen angeboten wird.
Dann passen meine EDEN Minis ja theoretisch auch. Bisschen groß aber hübscher.
Ja wirklich klasse und so langsam komme ich wohl nicht vorbei. Habe bisher nur die Streetjudge Box gekauft.
Ist dass das alte Spiel von GW? Kann man da die Missionen aus den alten White Dwarfs (80iger) nutzen?
Verdammt. Das Buch gbt es auch als PDF-Download….
*seufz* Keine Spontankäufe nach 24 Uhr, ich schwör!
Aber das Buch ist trotzdem klasse! 🙂