Review: Dux Britanniarum
In den letzten Jahren kamen einige Regelsysteme auf den Markt, die sich mit der Spätantike oder den Dark Ages befassten. In diese Reihe gehört auch Dux Britanniarum von Too Fat Lardies.
Das Regelwerk ist in der sogenannten Epoche Arthurs (Age of Arthur) angesiedelt. Damit ist jene Phase der britischen Geschichte gemeint, in der Sachsen, Angeln und andere nordgermanische Stämme in England einfielen und die dortige romanisierte Bevölkerung vertrieben oder unterwarfen und angelsächsische Königreiche gründeten. Dux Britanniarum liefert aber nicht einfach nur ein Regelsystem, sondern eine ganze Kampagne, die das Nachspielen der Epoche möglich macht.
Eine romano-britische Streitmacht verteidigt ihr Königreich.
Die Kampagne
Jeder Spieler der Kampagne (sie ist auch mit nur zwei Spielern sehr gut spielbar) entscheidet sich für eine Seite: britische Verteidiger oder sächsische Angreifer. Mehr Auswahl gibt es schlicht nicht, wobei sich der Verteidiger entscheiden kann, ob seine Briten denn nun romanisiert sind oder eben nicht. Auch die Start-Armee, mit der die Spieler in die Kampagne gehen, ist genau vorgeschrieben. Jede Armee besteht dabei aus 3 Adeligen, von denen einer der Warlord ist, einem Champion der Armee und den Krieger-Einheiten, unter denen sich elitäre Truppen, Plänkler und Schützen sowie einfache Kämpfer befinden. Das mag im ersten Moment befremdlich wirken, vermeidet aber so Nebensächlichkeiten wie Punktwerte für Einheiten oder Einzelmodelle. Die Modelle im Spiel haben nicht einmal Profile im klassischen Sinne.
Was die Spieler aber sehr wohl machen können, ist die Ausarbeitung ihrer drei Charaktere, mit der jede Armee ihr Dasein beginnt. Sie stellen den Warlord – also den Spieler selbst – und seine beiden Stellvertreter dar. Und jetzt wird es irre! Vom Alter, über die Körpergröße, die Herkunft, einen eventuellen Beinamen bis hin zur finanziellen Ausstattung wird für diese drei Modelle allerlei Hintergrund entwickelt. Die ganze Sache läuft über ein paar Tabellen ab. Hier mal ein Beispiel für die Sachsen:
Atheling Sigeric the Fair wurde um ca. 440 n. Chr. in Germania Magna als Sohn eines Bruders von einem sächsischen König namens Centwin II. (68 Jahre alt) geboren und gehört damit zur königlichen Familie (Wodenborn: King’s Hall in Germany). Er ist 29 Jahre, überdurchschnittlich groß und kräftig (Tall and Strong). Er ist ausgesprochen zäh im Kampf und widersteht auch widrigsten Bedingungen (Constitution of an Ox). Durch seine Herkunft ist er mit erheblichen materillen Gütern ausgestattet (a tribune’s tribute). Beschützt wird er von seinem Champion Octa.
Der erste Gefolgsmann von Sigeric ist Aelfwyn. Der 27jaehrige Sohn eines Gesith im Gefolge des Königs (Wodenborn (2)) ist ein großgewachsener (Strong and Tall) Krieger und berühmt für seine Trinkfestigkeit (Iron Liver).
In England schloss sich Sigeric außerdem Penda the Confessor an. Er ist 35 Jahre alt und wurde in England als 8. Kind eines sächsischen Söldners in römischen Diensten geboren (Wodenborn (7)). Da er nicht erbberechtigt ist, muss er sich seinen Platz in der Welt erkämpfen. Leider hindert ihn seine Statur (Short and Wiry) am Erreichen größerer Ziele. Was ihm diese Welt nicht bieten kann, erhofft er sich daher von der nächsten (Devout).
Diese Sache haucht der Kampagne gleich zu Beginn förmlich Leben ein. Dabei kann man schlicht alles – sogar die Namen – auswürfeln. Selbst das Alter des Königs, dem man dient, muss bestimmt werden. Der König bleibt aber der einzige Nicht-Spieler-Charakter.
Nachdem man dies nun erledigt hat, muss der Verteidiger eine Region festlegen, in der er lebt. Für jede Region gibt es eine detaillierte Karte mit Städten und Wehranlagen. Außerdem wird auch genau beschrieben, wann die Sachsen das erste Mal diese Region angriffen und wo sie dies taten. Die Kampagne beginnt mit einigen Überfällen der Sachsen, bis sich der sächsische Warlord einen Namen gemacht hat und echte Eroberungszüge beginnen kann. Dies wollen die Briten natürlich vermeiden und wo ginge das besser, als auf dem Feld der Ehre?
Neben einer großen Karte von England als Poster,
findet man im Buch auch weitere detailierte Karten einzelner Königreiche.
Das Spiel
Das Spiel besteht aus einer Vorbereitungsphase und dem Spielen der eigentlichen Schlacht. Ganz am Anfang wird der Moralwert der jeweiligen Armee festgelegt, der u. a. davon abhängt, ob sie das letzte Spiel verloren hat, eine Provinz verteidigt oder nur einen Raubzug abwehren muss. Jeder Spieler kann dabei versuchen, die Moral seiner Krieger zu verbessern. Das kann er durch eine beeindruckende Rede, ein Duell der Champions, ein ordentliches Trinkgelage oder das Anrufen seiner Götter oder Gottes. Logischerweise kann dabei auch einiges schiefgehen und seine Getreuen kommen am nächsten Tag sturzbetrunken zur Schlacht oder sind wegen der bösen göttlichen Ohmen total verängstigt.
Moral und die taktische Führungsstärke der Adeligen spielt überhaupt eine sehr wichtige Rolle im Spiel und kann daher hier auf einer strategischen Ebene beeinflusst werden. Das Spiel selbst kann zwar über die physische Vernichtung des Gegners gewonnen werden, ist aber vergleichsweise schwierig. Wahrscheinlicher ist es, dass die Moral der gegnerischen Armee gebrochen wird, was letztlich aber zum gleichen Ergebnis führt. Ob eine Einheit einer anderen Einheit Schaden im Kampf zufügt, wird über Tabellen geklärt, die je nach Qualität der Truppe Erfolgswerte festlegen. Dabei gibt es drei Möglichkeiten: entweder verursacht die Attacke gar keinen Effekt, sie tötet ein gegnerisches Modell oder sie verpasst der gegnerischen Einheit einen Schock-Marker. Bestimmte Einheiten, wie etwa Plänkler, können sogar nur Schock-Marker verursachen und keinen physischen Schaden. Diese Marker beeinflussen die Kampfkraft einer Einheit aber ganz erheblich. Sie wird außerdem langsamer und kann nicht mehr so gut manövrieren.
Zusätzlich wird das Spielsystem noch durch 2 Kartendecks abgerundet – das Game-Deck und das Fate-Deck. Das Game-Deck legt schlicht die Initiativreihenfolge fest. Für jede Einheit gibt es eine Karte und wenn diese gezogen wurde, darf sie sich bewegen. Das macht das Spiel natürlich schwierig zu planen, geht aber so auf erfrischende Weise vom üblichen Rundensystem ab – freilich keine neue Erfindung, sie macht aber immer wieder Spaß. Das Fate-Deck wiederum kann durch die Charaktere genutzt werden, die dort Karten ziehen dürfen, die ihre Truppen im Kampf verstärken. So kann eine Einheit etwa mal einen W6 schneller bewegt werden oder es dürfen Schock-Marker entfernt werden. Allein durch Hoffnung auf die richtigen Karten wird man wohl kein Spiel gewinnen, aber im richtigen Moment kann die richtige Karte durchaus spielentscheidend sein.
Die Karten-Decks werden mit dem Regelwerk geliefert.
3. Nach dem Spiel
Was wäre eine Kampagne, wenn sie nach dem Spiel nicht noch weitergehen würde? Neben dem Feststellen, wie viele Krieger man verloren hat oder ob man Verstärkungen bekommt, werden die Kämpfer auch älter. Und da man ja in wilden Zeiten lebt, können auch schon junge Männer unverhofft versterben. Erst recht gilt das aber für den in der Regel recht alten König. Sollte dieser sterben, kann dies zu einem Bürgerkrieg führen, der logischerweise ganz neue Probleme mit sich bringt, letztlich aber dazu führen kann, dass sich der Spieler selbst die Krone seines Landes aufsetzt. Auch der Verlust oder das Gewinnen einer Provinz hat natürlich Einfluss auf die Kampagne und besonders auf den Finanzhaushalt der Streitkräfte. Außerdem können Provinzen auch befestigt werden, was wiederum Schwierigkeiten für den potentiellen Eroberer dieser Provinzen mit sich bringt. Ohne jetzt zu sehr ins Detail zu gehen – das Buch liefert kurzum sehr viele Möglichkeiten, die durch einfache Regeln die Kampagne beeinflussen können und dabei ein durchaus plausibles Abbild dieser Epoche zeichnen.
Too Fat Lardies hat übrigens angekündigt, dass bereits Iren und Pikten für das System getestet werden, um einen weiteren Angreifer sowie einen weiteren Verteidiger auf die Bühne zu bringen. Man darf also gespannt sein.
Auch kann man das Setting durchaus austauschen. Ob nun Franken römische Limes-Wächter überfallen, um Gallien einzunehmen oder Dänen ausziehen, um Angelsachsen zu berauben, bleibt sich letztlich gleich, denn die Armeelisten sind durch das Nichtvorhandensein von Profilen sehr generisch gehalten. Hier und da wird man wohl Änderungen vornehmen müssen, aber diese belaufen sich am Ende des Tages auch nur auf die Namen der Adeligen.
Das Buch ist ein Softcover-Heft mit vollfarbigen Seiten.
4. Exkurs: Wo bekommt man die Figuren her?
Too Fat Lardies schreibt nur Regelwerke. Figuren muss man sich für das Setting also woanders besorgen. Das ist aber unproblematisch, denn ähnlich wie Saga, wird auch Dux Britanniarum mit Armee-Sets von Gripping Beast unterstützt. Neben den Modellen dieser Firma gibt es auch noch sehr schöne Sachsen von Musketeer Miniatures. Spätrömer oder Romanobriten bekommt man außerdem von Wargames Foundry, Crusader Miniatures und Artizan Design.
wer das Setting eher an den Rhein verlegen will, wird auch hierfür bei den oben genannten Anbietern fündig und auch für die Wikinger-Zeit kann man sich gerade bei Crusader Miniatures sehr ausgibig austoben. Da es sich bei den genannten Firmen durchaus um namenhafte Anbieter im historischen Tabletop handelt, sollten sie auch bei deutschen Einzelhändlern durchaus zu bekommen sein.
Ein säschsischer Warlord und sein Champion – Modelle von Musketeer Miniatures.
Fazit
Wenn man Rezensionen schreibt, hat man es in der Regel leicht. Wir können gnadenlos den Finger in die Wunde legen und Schwächen benennen, müssen das Problem selbst aber nicht lösen. Das verschafft uns gegenüber den Designern der Systeme oft eine Position, von der aus wir im Vorteil sind. Natürlich wollen wir den Designern nie etwas Böses, aber ich denke, dass sich keiner von uns der Versuchung vollständig erwehren kann, auch mal nachzutreten, wo ein schlichter Satz der Kritik gereicht hätte.
Hin und wieder wird dann aber ein System veröffentlicht, dass dieses Verhältnis ordnet. Ein System, das nicht gut ist, sondern in seiner ganzen Komposition so beeindruckend, so vollendet, dass es über praktisch jede Kritik erhaben ist – einfach weil es nichts zu kritisieren gibt.
So ein System ist Dux Britanniarum. Ich habe in meiner ganzen Zeit beim Brückenkopf und auch davor als Spieler, der ich nun schon seit 1994 bin, noch nie ein Regelwerk in den Händen gehalten, das mich so sehr von sich überzeugt hat. Ich könnte dabei nicht einmal einen einzelnen Punkt, wie das Fate-Deck oder die Charaktererschaffung nennen, denn hier greift einfach das eine so gekonnt in das andere, dass Dux Britanniarum am Ende zu deutlich mehr macht, als die Summe seiner Teile. Somit verneige ich mich vor Richard Clarke und bedanke mich ausdrücklich für diese Bereicherung unseres Hobbys.
Vielen Dank für das tolle Review!
Es wäre echt klasse wenn sie das System auf andere Regionen ausweiten würden, so wie bei Saga derzeit.
Danke für dieses Review.
Ich habe aber noch Fragen:
Ist die Miniaturengröße auf 28mm Minis festgelegt oder lässt sich das System auch mit anderen Maßstäben spielen?
Wie viele Miniaturen braucht man, also, wie groß ist so eine Streitmacht?
Das System ist auf 28 mm ausgelegt und einzelbasiert. Laesst sich aber eigentlich auch auf 15mm umschreiben. Die Kampagne beginnt man mit ca. 40 Modellen, das ganze steigt aber bis etwa 80. Das Spiel ist in allen Belangen KEIN Skirmisher.
Splintered Light hat 15mm Starterpacks für Dux Britanniarum herausgebracht – Briten + Sachsen + Charaktere aus der Trilogie von Cornwell. Waliser, Iren und Co. gibt es glaube ich auch…