Interview: Alessio Cavatore
Alessio Cavatore gehört derzeit wohl zu den aktivsten Spieldesignern der Szene. Kaum ein Projekt, in dem er nicht irgendwie seine Finger drin hat, aber am wichtigsten dürfte ihm wohl seine Schachvariante Loka sein, für die er gerade zusammen mit Mantic Games einen Kickstarter am Laufen hat. Grund genug für ein kleines Interview, in dem wir mal nachhorchen, was er so zu erzählen hat.
Alessio zusammen mit Ronnie Renton auf der SPIEL in Essen
Hi Alessio, schön dass Du Zeit für uns hast. Im Moment ist bestimmt viel los bei Dir?
Das kannst Du laut sagen, der ganze Kickstarter macht einfach enorm viel Arbeit. Man muss Fragen beantworten, das Projekt am Laufen halten und angesichts der großen Zahl an Kickstartern die Aufmerksamkeit der Kunden gewinnen. Im Moment gibt es ja eine wahre Flut von Kickstartern, ich selbst arbeite ja gleichzeitig an mehreren Projekten mit.
Welche sind das genau?
Zum einen natürlich Loka, aber ich arbeite ja auch an den Regeln für Wild West Exodus, unterstütze Palladium bei der Erstellung von Robotech Tactics und dann gibt es da natürlich noch All quiet on the Martian Front, wo ich mit Rick Priestley zusammenarbeite.
Kommen wir zunächst mal zu Loka. Das Projekt ist schon länger geplant, wir hatten zuletzt vor einem Jahr darüber gesprochen. Wie hat sich das Spiel entwickelt und wie unterscheidet es sich von Shuuro?
Loka wird sich deutlich stärker von Shuuro unterscheiden als ich zunächst geplant hatte. Eine abstrakte Idee kann sich im Laufe der Entwicklung deutlich verändern, gerade wenn man testet und viel ausprobiert.
Die wichtigste Veränderung sind sicher die Würfel. Warum braucht man Würfel bei einer Schachvariante?
Die Würfel sorgen dafür, dass Loka sich mehr in Richtung eines Tabletop entwickelt und weniger nah an Schach ist. Wenn man sich Schach und Tabletop als zwei Enden einer Skala vorstellt, dann hatte Shuuro einen ersten Schritt vom Schach in Richtung Tabletop gemacht. Loka geht diesen Weg nun weiter.
Die Regeln zu Loka basieren zwar auf den klassischen Schachregeln und einem normalen Schachbrett, aber es gibt drei große Erweiterungen, die beliebig kombiniert werden können
Welche Sind das?
Zum einen die Punktkosten, mit denen man seine eigenen Armeen zusammenstellen kann. Das Basisspiel besteht derzeit aus zwei normalen Figurensets und je einer zusätzlichen Dame. Dann gibt es die Würfel und zu guter Letzt das Gelände. Letzteres wird deutlich weiter gehen als bei Shuuro, so soll es verschiedene Geländearten wie Sümpfe, Burgen, Berge oder Steinkreise geben, die alle unterschiedliche Auswirkungen auf das Spiel haben.
Werden die Geländestücke alle nur ein Feld belegen, oder kann es auch größere geben?
Sie sollen alle nur ein Feld groß sein. Aber jetzt wo Du es sagst… man könnte in der Tat auch über größere Bereiche nachdenken.
Wie funktioniert das System mit den Würfeln?
In der Basisversion verwendet das Spiel achtseitige Würfel, aber wenn wir ein gewisses Level erreichen, sollen fünf verschiedene Würfelarten enthalten sein. Ich orientiere mich dabei an den platonischen Körpern (In der Geometrie bezeichnet man mit den platonischen Körpern (nach dem griechischen Philosophen Platon) vollkommen regelmäßige Polyeder (dreidimensionale Körper, die von Polygonen (Vielecken) als Seitenflächen begrenzt sind) – Quelle: Wikipedia).
Jeder der fünf Würfel ist dabei einem der Elemente zugerodnet, der spitzige W4 symbolisiert das Feuer, der kompakte W6 steht für die Erde, der W8, der ein wenig an einen Diamanten erinnert, steht für die Luft und der vielseitige W20 symbolisiert das Wasser. Der W12 steht in diesem System für ein fünftes Element, das man ganz nach Wunsch als Harmonie, Äther, oder „Die Macht“ bezeichnen könnte und das alles zusammenhält.
Wie funktionieren die Würfel im Kampf?
Immer wenn eine Figur eine andere angreift wird von beiden Spielern gewürfelt. Dabei erhält jede Figur zunächst einen Würfel, es sind aber Bonuswürfel möglich. Der Angreifer erhält beispielsweise immer einen Würfel als Bonus und weitere Boni sind möglich, wenn verbündete Figuren den Angriff unterstützen, indem sie die angegriffene Figur ebenfalls bedrohen. Der Verteidiger kann durch Figuren, die sein Feld decken, ebenfalls Bonuswürfel erhalten und auch das Terrain hat Auswirkungen auf die Kämpfe.
Bei einem Kampfwurf werfen beide Spieler ihre Würfel und wenn wir davon ausgehen, dass sie W8 verwenden, erhalten sie bei 5+ einen Erfolg. Die Figur, die weniger Erfolge erzielt, verliert und wird geschlagen. Dies kann auch den Angreifer treffen! Haben beide gleich viele Erfolge, sterben beide Figuren und wenn gar keine Erfolge erzielt werden, muss der Angreifer sich auf sein Ausgangsfeld zurückziehen.
Eine wichtige Besonderheit ist dabei, dass auch der König geschlagen werden muss. Es gibt kein Schachmatt, man verliert erst, wenn der König wirklich geschlagen wurde.
Das klingt in der Tat spannend, aber lass uns noch einmal zum Kickstarter selbst zurückkommen. Ich habe derzeit ein wenig das Gefühl, dass das Startangebot eigentlich nicht wirklich komplett ist und erst durch Stretch Goals zu einem vollständigen Spiel wird. Selbst die Regeln für Loka mussten erst freigeschaltet werden. Warum habt ihr nicht ein höheres Minimalziel gesetzt, dafür aber gleich von Anfang an ein komplettes Spiel angeboten, das nicht noch durch so viele Stretch Goals komplettiert werden muss?
Unsere Idee war zunächst ganz einfach ein Fantasy-Schachspiel anzubieten, mit zwei schönen Armeen und einem Spielfeld. Natürlich will ich eigentlich viel mehr, aber auf diese Weise hatten wir eine gewisse Grundsicherheit, auf der wir aufbauen können. Außerdem konnten wir so testen, ob die Leute überhaupt Interesse an einem Spiel wie Loka haben.
Ich gehe einfach mal davon aus, dass das Spiel nach dem Volk der Erde durch weitere Stretch Goals auch um die übrigen zwei Elemente erweitert werden soll?
*lacht* Natürlich, das ist definitiv geplant. Ich denke, dass wir einen genaueren Einblick in die Planung geben werden, sobald die Modelle der Erde finanziert sind. Außerdem werde ich vermutlich ein Beta-PDF der Regeln veröffentlichen, damit die Spieler sich einen Eindruck verschaffen können.
Sollen die Figurensets außerdem noch weitere Modelle erhalten? Im Moment reichen sie ja kaum aus, um wirklich eine eigene Armee aufzubauen.
Das stimmt nicht ganz, weil wir in einem typischen Spiel nicht das komplette Schachset verwenden werden, der Punktwert wird etwas darunter liegen.
Verwendest Du dieselben Punkte wie bei Shuuro?
Nein, da das Spielfeld eine andere Größe hat und das Balancing deshalb anders ausfallen musste. Außerdem ist der Springer bei Loka nicht mehr im Vorteil gegenüber den übrigen Modellen. Die Punkte richten sich deshalb nach der klassischen Austauschtheorie: Ein Bauer kostet 10 Punkte, Springer und Läufer liegen bei 30, der Turm bei 50 und die Dame bei 90. Der König bleibt natürlich kostenlos.
Das lila Nilpferd ist Geschichte – Das neue Logo von Riverhorse sollte ein bisschen weniger nach Spielzeug und etwas mehr nach Tabletop aussehen.
Wird es in Zukunft noch weitere Ergänzungen für Loka geben?
Es sind zumindest Millionen Dinge denkbar. Im Basisspiel spielen sich alle Fraktionen gleich, das war mir wichtig, um keine Balancing-Streitigkeiten zu bekommen. Aber später könnte man Fraktionsregeln oder sogar Kartendecks einführen. Auch ein Kampagnensystem mit der Karte von Loka wäre denkbar.
Warum hast Du Dich für Mantic als Partner entschieden und wann soll das Spiel ausgeliefert werden?
Alles was über den Kickstarter finanziert wird, soll im Dezember ausgeliefert werden, quasi als Weihnachtsgeschenk. Die Zusammenarbeit mit Mantic machte Sinn, weil sie viel Erfahrung mit Kickstarter haben und außerdem Dinge wie Produktion und Distribution übernehmen können, was uns enorm entlastet. Ein bisschen wie bei Computerspielen, wo es ja auch Entwickler und Publisher gibt.
Kommen wir zum Schluss noch zu Deinen anderen Projekten. Woran arbeitest Du im Moment?
Wild West Edodus, Martian Front und Robotech hatten wir ja schon. Dann gibt es zum Beispiel Kings of Legends, ein Erweiterungsbuch für Kings of War, das neue Helden, Charaktermodelle und Hintergrundgeschichten liefern wird. Und natürlich die Erweiterung, mit der die drei Armeen des Himmels, der Natur und des Bösen eingeführt werden.
Bei Bolt Action haben wir gerade die Briten fertig, bald kommen die Sowjets und auch die Japaner sind in Arbeit. Außerdem schreibe ich gerade an Regeln für die Franzosen und weitere Verbündete der Alliierten auf der einen Seite, sowie Italienern und weiteren Verbündeten der Achsenmächte auf der anderen Seite. Es ist allerdings verdammt schwierig gute Regeln für Franzosen und Italiener zu finden. Bei Beasts of War hat man mir vorgeschlagen, dass die Italiener besonders feine Verpflegung und gute Chancen bei den örtlichen Damen haben könnten, aber das hilft im Spiel nicht wirklich. Und auch die Idee, dass die Franzosen sich im zweiten Spielzug zurückziehen müssen war nur mäßig hilfreich. *lacht*
Klingt nach einem großen Haufen Holz, da wollen wir Dich nicht länger abhalten. Vielen Dank für das Interview und noch viel Erfolg mit Loka und Deinen anderen Projekten!
Link: Loka Kickstarter
“ Und auch die Idee, dass die Franzosen sich im zweiten Spielzug zurückziehen müssen war nur mäßig hilfreich “ Diese Aussage hat mir jetzt schon den Tag gerettet. 😀
+ 1 😀
—-
Interessantes Interview. Shuuro hat mich nicht so interessiert. Koka dagegen finde ich spannender
Alter Junkie… >Koka<
*gnarf* blöde autokorrektur des Handys… ^^
Wobei man das aus deutscher Sicht auch mal gerne umkehren könnte. Gutes Essen aus Frankreich und wie war das mit der italienischen Kriegsfahne? Weißer Adler auf weißem Grund?
Hängt halt immer vom Kulturkreis ab.
Nettes Interview, sympatisch ist er ja auf alle Fälle. So richtig kann ich mich für Loka noch nicht erwärmen. Die Miniaturen sind zwar für diese Art von Spiel bestimmt gut geeignet, gefallen mir aber nicht wirklich.
Bei der ganzen Vielzahl an Kickstartprojekten und anderen Projekten, an denen Alessio Cavatore zur Zeit mitarbeitet, drängt sich bei mir der Verdacht auf, hier wird sich ein bekannter Name eingekauft um sein Produkt entsprechend promoten zu können. Ich kann mir nicht so recht vorstellen das er auf allen Hochzeiten wirklich gleichzeitig tanzen kann oder sich maßgeblich daran beteiligt sein kann.
Aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren 😉
Das ist sogar eher üblicher in der Branche, und man greift da auch gerne auf Ideen zurück die man in der „Ideenschublade“ gesammelt hat.
Im Gegensatz zu so manchen Systemfans kommen die Leute in der Branche recht gut miteinander aus ;).
Danke für das Interview!
Klasse Interview! Macht sowas doch – wenn möglich – mal öfter.
Da gibts doch bestimmt einige, die das dankbar annehmen, zB der von Freebooter Miniatures (GW wohl eher nicht ^^).
Bis man GW-Leute vor eine Kamera kriegt, wird wohl eher wieder der „Sigmar-is-a-lost-primarch“-Fluff wiedereingeführt 😀
gab es den mal tatsächlich? 🙂 quellen plz
danke für das interview!
ist zwar nix für mich, aber interessant zu lesen ist es dennoch!